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Der Privatsekretär

Autor
Piñeiro, Claudia

Der Privatsekretär

Untertitel
Thriller. Aus dem Spanischen von Peter Kultzen
Beschreibung

Fernando Rovira, politisch ambitionierter Bauunternehmer und Gründer der aufstrebenden Partei „Pragma“, ist ein Charismatiker: adrett, sportlich, immer ausgeschlafen und eloquent. Mit sicherer Hand lenkt er die Geschicke seiner Partei, führt sie von Sieg zu Sieg und schreitet ihr als politische Lichtgestalt, als Selfmademan, voran. Das Ziel: Die Provinz Buenos Aires teilen, das Leben für alle verbessern und anschließend, klar, die Präsidentschaft von Argentinien.

Wer sich im gerade so glorios anhebenden Sommer spannende Unterhaltung mit politisch relevanter Thematik genehmigen möchte, angereichert mit einem halbfiktionalen Exkurs in die jüngere argentinische Geschichte, ist mit diesem Buch hervorragend bedient.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Unionsverlag, 2018
Seiten
320
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-293-00534-1
Preis
22,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Claudia Piñeiro, geboren 1960 in Buenos Aires, ist der Shootingstar der argentinischen Literatur. Nach dem Wirtschaftsstudium wandte sie sich dem Schreiben zu, arbeitete als Journalistin, schrieb Theaterstücke, Kinder- und Jugendbücher und führte Regie fürs Fernsehen. Ihre Romane sind auf den Bestsellerlisten zu finden und werden in mehrere Sprachen übersetzt und verfilmt. Für Die Donnerstagswitwen erhielt sie 2005 den Premio Clarín; 2010 wurde sie mit dem LiBeraturpreis ausgezeichnet.

Zum Buch:

Das Gerücht und der Ruhm werden in der römischen Mythologie von ein und derselben Göttin verwaltet. Ein geflügeltes Wesen mit tausenden Augen, Mündern und Ohren, rast sie über das Land, verbreitet sowohl Wahrheit als auch Lüge unter den Menschen und ist dabei blind für die Konsequenz. In Vergils Aeneis fällt dieser gewaltigen Klatschtante göttlichen Ursprungs unter anderem die karthargische Königin Dido zum Opfer: Der düpierte Nebenbuhler erfährt von dem Techtelmechtel zwischen ihr und Aeneas, klagt sein Leid dem Jupiter, der Aeneas eigentlich mit einer ganz anderen Mission als einer Heirat betraut hatte, und nach einer Intervention des Göttervaters nimmt das Schicksal der liebeskranken Dido seinen tragischen Lauf.

Dass die Fama, wie diese tratschende Göttin heißt, auch für den Ruhm zuständig ist, nimmt eigentlich nicht weiter Wunder: Das gezielt gestreute Gerücht, die perfide ausgetüftelte Schmutzkampagne haben schon so manchen Machtkampf entschieden, und auch im politischen Betrieb unserer Zeit scheint das fleißige Verwischen der Grenze zwischen Fakt und Fiktion wieder Konjunktur zu haben.

Fernando Rovira, politisch ambitionierter Bauunternehmer und Gründer der aufstrebenden Partei „Pragma“, ist ein Charismatiker: adrett, sportlich, immer ausgeschlafen und eloquent. Mit sicherer Hand lenkt er die Geschicke seiner Partei, führt sie von Sieg zu Sieg und schreitet ihr als politische Lichtgestalt, als Selfmademan, voran. Das Ziel: Die Provinz Buenos Aires teilen, das Leben für alle verbessern und anschließend, klar, die Präsidentschaft von Argentinien.

Unnötig zu sagen: Mit schillernden Inszenierungen verhält es sich wie mit Magneten: Sie üben eine immense Anziehungskraft aus. Und schon bald geraten auch die beiden Studenten Román Sabaté und sein Freund Sebastián in den Bann von Roviras Partei und bewerben sich schließlich um eine Position im Team des großen Mannes.

Doch da geschieht Unerwartetes: Nicht der hochintelligente Sebastián, der sich mit Leib und Seele dem Programm Roviras verschrieben hat und vor Tatendrang zu platzen droht, wird genommen, vielmehr bekommt sein ungleich weniger tatkräftige Freund Román den Zuschlag für den Posten und steigt auch gleich zum Privatsekretär und Personaltrainer Roviras auf. Und noch während sich Román selbst über seinen rasanten Aufstieg in der Partei wundert, wird er immer weiter in ein Netz aus Lügen, Mythen und grausigen Geheimnissen verstrickt, das Rovira abseits der Öffentlichkeit knüpft. Der Hoffnungsschimmer am sich stetig verdüsternden Horizont: Die junge Journalistin Valentina Sureda, genannt China, die an einem Buch über den Einfluss des Fluches der Tolosana auf die Politik Fernando Roviras arbeitet. Jener sagenhafte Fluch besagt, dass kein Gouverneur der Provinz Buenos Aires je Präsident Argentiniens werden kann. Dabei kommt sie unliebsamen Wahrheiten auf die Spur und befindet sich bald selbst in höchster Gefahr.

Welche faktische Kraft können ausgewiesene Mythen entwickeln? Welche politische Durchschlagskraft hat die gut arrangierte Story? Und: Ist nicht das wahr, was der Mensch beschließt, als wahr anzunehmen?

Claudia Piñeiros Politthriller Der Privatsekretär liest sich wie eine spannende Abhandlung dieser brandaktuellen Fragen. Einerseits verfolgt der Leser die immer wahnwitziger werdenden Entwicklungen um Román Sabaté, andererseits schaut er Valentina Sureda über die Schulter, wie sie Fragment um Fragment für ihr Buch zusammenträgt und dabei in die Geschichte des Landes und der Provinz Argentiniens eintaucht. Die Sprache ist, dem Plot und dem Genre angemessen, klar und präzise, und das Spiel der Autorin mit historisch verbürgten Fakten und freier Erfindung reflektiert das Thema des Buches auch auf formaler Ebene.

Wer sich im gerade so glorios anhebenden Sommer spannende Unterhaltung mit politisch relevanter Thematik genehmigen möchte, angereichert mit einem halbfiktionalen Exkurs in die jüngere argentinische Geschichte, ist mit diesem Buch hervorragend bedient.

Johannes Fischer, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt