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Schnell, dein Leben

Autor
Schenk, Sylvie

Schnell, dein Leben

Untertitel
Roman
Beschreibung

Sylvie Schenk erzählt das Leben von Louise – die vielleicht auch Sylvie heißen könnte. Louise wächst in den fünfziger Jahren in einer Kleinstadt in den südlichen französischen Alpen auf. Anfang der sechziger Jahre geht sie zum Studium nach Lyon, lernt den jungen Deutschen Johann kennen. Sie geht mit ihm nach Deutschland, heiratet, bekommt Kinder. Es ist eine unspektakuläre Geschichte, ein normales Leben, das Schenk erzählt – aber die Vergangenheit des Krieges und das Schweigen der Älteren drohen die Beziehung zwischen Louise und Johann beinahe zu ersticken.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Hanser Verlag, 2016
Seiten
160
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-446-25331-5
Preis
16,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Sylvie Schenk wurde 1944 in Chambéry, Frankreich, geboren, studierte in Lyon und lebt seit 1966 in Deutschland. Sylvie Schenk veröffentlichte Lyrik auf Französisch und schreibt seit 1992 auf Deutsch. Sie lebt bei Aachen und in La Roche-de-Rame, Hautes-Alpes.

Zum Buch:

Louise wächst in den fünfziger Jahren in einer Kleinstadt in den südlichen französischen Alpen auf. Es ist eine enge, bürgerliche Welt. Der unnahbare Vater, dessen Familie aus Lyon kommt, ist Zahnarzt, die Mutter ist eine sanfte Frau, die von ihrem Mann das tägliche Haushaltsgeld erbitten muss. Irgendwann findet Louise heraus, dass die Mutter ein Adoptivkind ist und vielleicht deshalb von der Familie des Vaters und letztlich auch von ihm verachtet wird. Häufig gibt es Streit zwischen den Eltern. Freiheit findet Louise auf langen Wanderungen in den Bergen.

Nach dem Ende der Schule beginnt sie Anfang der sechziger Jahre ein Studium in Lyon und gerät in eine völlig andere Welt. Schnell kommt sie durch eine Kommilitonin in eine bunt gemischte Clique, die sich regelmäßig im Jazzlokal „Des deux Pianos“ trifft. Obwohl sie ihre provinzielle Herkunft häufig spürt, fühlt sie sich doch wohl unter den jungen Leuten. Dort lernt sie auch Francoise kennen, die ihr zur lebenslangen Freundin wird, Johann, einen Deutschen, der für ein Jahr in Frankreich ist, und Henri, einen jungen Pianisten. Henri fasziniert und verwirrt sie gleichermaßen. Er ist gutaussehend, charmant, kann aber auch düster und schroff sein. Seine Eltern, die der Resistance in Lyon angehörten, wurden von den Nazis umgebracht, und er ist besessen davon herauszufinden, wer in dieser Stadt mit den Nazis kollaborierte – ein Thema, das in Frankreich ebenso tabuisiert war wie in Deutschland, wo sich auch niemand mit den verübten Kriegsgräuel auseinandersetzen wollte.

Louise verliebt sich in den freundlichen, unkomplizierten Johann und geht nach Ende des Studiums mit ihm nach Deutschland, heiratet, bekommt Kinder. Das Leben in Deutschland erweist sich jedoch als schwieriger, als sie erhofft hatte. Johann verliert seine Unbeschwertheit und beugt sich dem autoritären Vater, dessen Wünsche stets Vorrang vor den ihren haben.

Mit Henri bleibt sie in losem Kontakt. Er hat herausgefunden, dass ihr Schwiegervater im Krieg in Lyon war und dort als Dolmetscher bei Verhören gearbeitet hat. Aber Louise traut sich nicht, ihn nach seiner Vergangenheit zu fragen, zumal sie eine stille Bewunderung für den gebildeten, aber verschlossenen Mann hegt. Und da auch Johann nicht daran rührt, bleibt das Thema unberührt – bis Sylvie nach dem Tod des Schwiegervaters ein Päckchen von Henri erhält …

Schnell, Dein Leben kreist um die Themen Identität, Fremdheit und Sprache. Im Elternhaus spürt Louise die Unsicherheit ihrer Mutter, und wirklich frei fühlt sie sich nur in der Natur.. Ob es die provinzielle Herkunft und der enge Horizont des Elternhauses sind, die sie unter den Kommilitonen befangen machen, oder ihre französische Herkunft in Deutschland und die Schwierigkeiten, sich in einem fremden Land und der neuen Sprache auszudrücken – selten fühlt sie sich am richtigen Platz. Und die Sprachlosigkeit über die Vergangenheit droht die Beziehung zwischen Johann und ihr langsam zu ersticken.

Was den Roman zu etwas Besonderem macht, ist sein Ton. Der Text springt den Leser förmlich an. Sylvie Schenk erzählt in der zweiten Person Singular, dem „Du“. Eine selten benutzte Form, die erstaunlicherweise keine Distanz, sondern eine große Direktheit erzeugt, den Leser ins Geschehen einbindet und der Erzählerin eine große Lebendigkeit verleiht.

Ruth Roebke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt