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Das Pferd

Autor
Simon, Claude

Das Pferd

Untertitel
Aus dem Französischen von Eva Moldenhauer
Beschreibung

Frankreich am Beginn des Zweiten Weltkriegs. Ein Trupp Kavalleristen reitet nachts im strömenden Regen durch die Ardennen, Richtung Westen. Nicht nur die Soldaten, auch die Pferde sind völlig erschöpft, eins davon ist zudem verletzt. In dem Dorf, in dem sie endlich rasten können, werden die Soldaten einen Tag und eine Nacht lang Zeuge der langsamen Agonie dieses Pferdes, die zum Symbol und zur Vorwegnahme des eigenen Schicksals wird.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Berenberg Verlag, 2017
Seiten
80
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-946334-17-0
Preis
22,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Claude Simon, geboren 1913 in Tananarive, Madagaskar, erhielt 1985 den Nobelpreis für Literatur. Er starb 2005 in Paris.

Zum Buch:

Frankreich am Beginn des Zweiten Weltkriegs. Ein Trupp Kavalleristen reitet nachts im strömenden Regen durch die Ardennen, Richtung Westen. Nicht nur die Soldaten, auch die Pferde sind völlig erschöpft, eins davon ist zudem verletzt. In dem Dorf, in dem sie endlich rasten können, werden die Soldaten einen Tag und eine Nacht lang Zeuge der langsamen Agonie dieses Pferdes, die zum Symbol und zur Vorwegnahme des eigenen Schicksals wird.

Claude Simons Erzählung Das Pferd, die 1958 erstmals erschien und erst jetzt in der großartigen Übersetzung von Eva Moldenhauer auf deutsch vorliegt, ist der Beginn der langen literarischen Auseinandersetzung des Nobelpreisträgers mit seinen Erlebnissen im Zweiten Weltkrieg; man könnte ihn als Vorstudie zu dem 1960 erschienenen Werk Die Straße von Flandern lesen. Aber der Text ist bei aller Kürze ein absolut faszinierendes eigenständiges Werk, das auf den nur 47 Seiten mehr über die menschliche Existenz – nicht nur – im Krieg aussagt als so mancher umfangreiche Roman. Die Welt scheint hier im wörtlichen Sinne unterzugehen, zu ertrinken, zu verfaulen: „Ein Geflecht ineinander verwobener Rinnsale floss über den hellgelben Sand des abschüssigen Wegs. Hin und wieder löste sich ein Blatt von dem großen Nussbaum, sank schlaff zu Boden, schon fast schwarz, schon zerfressen, verfault. Man hätte meinen können, dass die Natur, die Bäume, die Wiesen, die ganze Erde im Begriff waren, sich aufzulösen, überschwemmt, verwässert, verflüssigt von dieser kalten, grauen Sintflut.“ Angesichts dieser in Auflösung begriffenen Welt kann sich eine sich im Kriege auflösende Zivilisation nur noch in eine sarkastische Verzweiflung retten, wie sie sich in den schnoddrigen Dialogen der Soldaten äußert, aber auch in der irrwitzigen, gewaltgetränkten Dorfintrige um Ehebruch und Machtmissbrauch. Die Suche des Ich-Erzählers nach der „milchigen“ jungen Bäuerin, die er beim Einreiten in das Dorf kurz gesehen hat und nach deren Wärme er sich sehnt, bleibt vergeblich; statt dessen findet er sich nur immer wieder selbst im Spiegel der Augen des sterbenden Pferdes, das ihn schließlich „von jenseits des Todes, prophetisch, kraft einer Kenntnis, einer Erfahrung, die wir nicht besaßen, eines enttäuschten, burlesken Geheimnisses, das die Gewißheit des Fehlens jedes Geheimnisses und jedes Mysteriums ist“ zu verhöhnen scheint.

Das Pferd ist für alle Kenner des Werks von Claude Simon ein Gewinn, für all diejenigen, die dieses Werk noch nicht kennen oder denen es bislang zu sperrig war, eine wunderbare Einführung in die Literatur dieses großartigen Autors – und ein Muss für jeden, der wissen will, was Literatur leisten kann.

Irmgard Hölscher, Frankfurt am Main