Zum Buch:
Los Angeles, April 1992. Am frühen Nachmittag werden mehrere Beamte des Police Departments vom Vorwurf der unverhältnismäßigen Polizeigewalt freigesprochen. Ein Jahr zuvor wurden sie dabei gefilmt, wie sie einen Schwarzen mit brutalen Stockschlägen fast zu Tode prügelten.
Der Mann heißt Rodney King. Keine zwei Stunden nach der Urteilsverkündung brechen gleich in mehreren Stadtteilen heftige Unruhen aus, die sechs Tage anhalten. Geschäfte werden geplündert, es brennt überall, ganze Straßenzeilen gehen in Asche auf. Notstand. Bürgerkrieg. Die Polizei sieht sich nicht in der Lage, die Situation unter Kontrolle zu bringen oder gar einzudämmen, und somit herrscht von nun an allein das Gesetz des Stärkeren: die vielen bis an die Zähne bewaffneten, meist verfeindeten Gangs und Bruderschaften haben South Central übernommen, und es ist an der Zeit, alte Rechnungen zu begleichen.
Als ich den Titel „In den Straßen die Wut“ las, da dachte ich zuerst, ich hätte mich verlesen. Komischer Titel. Muss es nicht „der Wut“ heißen? Und überhaupt, muss ich das rezensieren, da ich doch gar keine Krimis oder Thriller mag? Ich fand dann schnell heraus, wovon das Buch handelt, und war erstaunt über die Recherche, die der Autor auf sich genommen hat. Ich warf einen Blick auf den Text und war sofort derart gepackt von der Sprache und dem schnellen Rhythmus, der so frisch und neu war, dass ich die ersten fünf Seiten noch im Stehen lesen musste.
In seinem Buch, seinem Thriller (blödes Wort) lässt Ryan Gattis die Geschehnisse rund um die Unruhen von 1992 aus den Blickwinkeln ganz verschiedener Frauen und Männern noch einmal Revue passieren; Menschen, die die Vorgänge hautnah miterlebten, sei es als Opfer, Täter oder Helfer oder einfach nur, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Die Stimmen, die Gattis seinen Figuren zu verleihen weiß, sind beinahe schon authentisch zu nennen und zeugen von dem enormen Können dieses Autors. Da fragt man sich doch: Ryan Gattis? Wo kommt der denn plötzlich her?
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln