Zum Buch:
Der Bürgerkrieg, der ganze 36 Jahre zwischen der linken Guerillaorganisation Unidad Revolucionaria Nacional Guatemalteca, kurz URNG, und der guatemaltekischen Regierung ausgetragen wurde und dem zwischen 150.000 und 250.000 Menschen zum Opfer fielen – in den meisten Fällen einfache Bauern –, wurde offiziell am 29. Dezember 1996 mit der Unterzeichnung des Friedensvertrages durch Vertreter der Regierung und der URNG für beendet erklärt. Zwei Jahre später, am 24. April 1998, veröffentlichte die Wahrheitskommission unter der Leitung des hochgeachteten römisch-katholischen Bischofs Juan Gerardi, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die während des Bürgerkriegs begangenen Gräuel aufzudecken, ihre Ergebnisse in dem Bericht: „Guatemala – nie wieder“, der den Großteil der Verbrechen der Armee, den Geheimdiensten sowie paramilitärischen Verbänden zuschrieb.
Zwei Tage später, am 26. April, wurde der fünfundsiebzigjährige Bischof Gerardi in seiner Garage in Guatemalacity auf brutalste Weise erschlagen.
Die Untersuchungen des Falles zogen sich über Jahre hin und wurden von Seiten der Regierung ständig zu torpedieren versucht: Zeugen wurden bedroht, bestochen, misshandelt, umgedreht oder umgebracht. Allein den Bemühungen einer Handvoll junger Juristen, die allen Drohungen zum Trotz dieser Verschleierungstaktik entgegenwirkten, ist es zu verdanken, dass das Beweisverfahren im Gerardi-Prozess nicht ins Stocken geriet. Erst am 25. April 2007, also fast auf den Tag genau neun Jahre nach dem Mord an Bischof Gerardi, bestätigte das Verfassungsgericht die Urteile gegen ranghohe Armeemitglieder und machte sie so rechtskräftig.
Der in Guatemala geborene Journalist und Autor Francisco Goldman hat im Auftrag des „New Yorker“ den Verlauf des Prozesses über Jahre hinweg vor Ort verfolgt und unzählige Interviews geführt. Es kam nicht selten vor, dass er sich dabei zu weit vorwagte und selbst in die Schusslinie geriet. Mit seinen Artikeln und vor allem mit seinem 2007 erschienen Buch „The Art of Political Murder“ erregte er entsprechend großes Aufsehen in allen Schichten der guatemaltekischen Gesellschaft. Sein faktenreicher Bericht ist flüssig zu lesen, in der Hauptsache aber ein bewegendes Zeitzeugnis, das gleichzeitig das Aufbegehren eines über Jahrzehnte erniedrigten Volkes schildert, das auf seinem beschwerlichen Weg zu Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie so viele unschuldige Opfer zu beklagen hatte – und leider immer noch zu beklagen hat.
Zusammen mit Rodolfo Walshs Bericht über „Das Massaker von San Martin“ ist „Die Kunst des politischen Mordes“ meines Erachtens eines der interessantesten Sachbücher zum Thema Lateinamerika, die in den letzten Jahren veröffentlicht wurden.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln