Zum Buch:
Das glückliche Geheimnis ist ein schöner Titel, der neugierig macht, sind doch die meisten Geheimnisse, zumindest in der Literatur, in der Regel düster und nur sehr selten glücklich. Und meist werden sie, zumindest in der Literatur, sorgfältig gehütet und erst ganz am Ende aufgedeckt, ziehen sich wie ein dunkler Faden durch die Geschichte, lassen die Leserin raten und nach der Enthüllung oft genug auch enttäuscht zurück.
Ganz anders bei Arno Geiger: Hier wird das Geheimnis schon im zweiten Satz aufgedeckt: Er hat fünfundzwanzig Jahre in Wien die Papiermülltonnen durchsucht, „nach für mich Interessantem“. Zugegebenermaßen ein bisschen peinlich, vor allem, weil der Autor im Laufe dieser fünfundzwanzig Jahre vom schriftstellerischem Anfänger zum mit Preisen überhäuften Großschriftsteller mutierte, der sich natürlich ungern beim Müllsammeln überraschen lassen würde.
Aber die Sammelei ist nur eine Seite dieses faszinierenden Buches. Man hätte es auch „Portrait des Künstlers als junger Mann“ nennen können, denn Geiger beschreibt die fünfundzwanzig Jahre seines Werdegang als Schriftsteller von den hoffnungsfrohen Anfängen über die lange Durststrecke, in denen er sich mit Stipendien von diversen literarischen Institutionen durchschlägt, bis zum plötzlichen Durchbruch, der ihn mit unerwarteter Wucht trifft. Wir erfahren von seinen Zweifeln und Ängsten, seinen unglücklichen und glücklichen Liebesgeschichten, von der Demenz seines Vaters, über den er in Der alte König in seinem Exil geschrieben hat, von den unschönen Seiten des Literatur- und Verlagsbetriebs, von der immer wiederkehrenden Angst vor dem Scheitern. Und all das in einer Sprache, die völlig frei von Selbstmitleid und Selbstüberhöhung ist, knapp, klar und absolut stilsicher.
Was aber hat dieser Werdegang – und diese Sprache – mit dem Sammeln persönlicher Papiere wie Briefe, Briefkonvolute, Tagebücher, Berichte zu tun? Viel, wenn nicht alles. Denn Das glückliche Geheimnis ist nicht zuletzt auch die Poetologie eines Autors, der gelernt hat, im Schreiben dem Leben Gewicht beizumessen: „In vielen Briefen stieß ich auf eine beiläufige Offenheit, die mir gefiel, eine gänzlich unverkrampfte Direktheit, die mich zuerst beeindruckte, dann beeinflusste und schließlich mein Schreiben veränderte. Meine Offenheit in diesem Buch steht damit in direktem Zusammenhang. Diese Offenheit passiert mir nicht einfach, ich entscheide mich bewusst für sie, weil ich glaube, dass sie das Leben sichtbar macht. Das ist es, worum es mir in der Literatur geht: das Leben sichtbar und dadurch verständlicher machen.“ Und das ist ihm, wie nicht nur dieses Buch zeigt, absolut gelungen.
Irmgard Hölscher, Frankfurt a.M.