Zum Buch:
In fragmentarischen Rückblicken erzählt ein namenloser Ich-Erzähler von einer einsamen Kindheit, geprägt von Alkoholismus, Demütigung und häuslicher Gewalt. Die Mutter, die ihn unzählige Male an den Haaren durchs Haus geschleift hatte, ist tot, und so fährt er nach vielen Jahren in den Ort seiner Kindheit zurück. Eigentlich nur, um ein paar Papiere zu unterschreiben und ein paar wenige Möbel und Kisten abholen zu lassen. Drei Tage hatte sie dort gelegen, in dieser Wohnung, in der sie die letzten Jahre gelebt hatte und von der er nicht mal die Adresse kannte. Drei Tage, an denen Menschen im Haus morgens zur Arbeit gingen und abends zurückkehrten.
Doch da ist auch noch dieser Freund aus Kindheitstagen, sein Fluchtpunkt damals und einziger Ort, um der Unberechenbarkeit seiner Mutter zu entfliehen. Die Eltern seines Freundes kochten Essen und feierten Geburtstage. Wenn er bei ihm übernachtete, konnte er endlich einmal ohne Angst einschlafen. Er war ihm so vertraut wie er sich selbst.
Und dann hatte er ihm einfach geschrieben, gefragt, ob er vorbeikommen könne, seinen Besuch angekündigt, und steht jetzt vor seiner Tür. Sein Freund hat sich verändert und sieht doch noch genauso aus wie damals. Wie oft hat er seinen Namen gedacht, sich an jede Berührung erinnert und sich über all die Jahre doch nie wieder bei ihm gemeldet. Ist lieber mit Anderen, Namenlosen mitgegangen, nach Hause oder hinter einen Busch neben der Kneipe, hat das Begehren anderer Männer kennengelernt und geteilt.
Angelo Tijssens, der belgische Drehbuchautor des mehrfach ausgezeichneten Kinofilms Close, erzählt meisterhaft und in knappen Worten entlang einer Grenze des Sagbaren, des Unausgesprochenen, des gesellschaftlich geduldeten Missbrauchs, entlang des Saums von intensiver Freundschaft und Begehren, entlang der Ränder zwischen innen und außen. Die skizzenhaften, fast poetisch anmutenden Erinnerungsfetzen umreißen eine kindliche Welt im Überlebensmodus und die Selbstfindung eines Menschen jenseits gesellschaftlicher Anerkennung. An Rändern ist das anrührende Zeugnis einer großen Liebe, einer schwulen Liebe in Zeiten von Homophobie und Unsicherheit.
Larissa Siebicke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt