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Berlin, 9. November 2021. Die Hauptstadt in Corona-Zeiten. Es ist wenig übrig vom vielgelobten, quirligen Kulturleben, man verkriecht sich hinter Masken, diskutiert über G2 und G3 und Impfpflichten. Und versucht tapfer, wenigstens die Rudimente der einst so glamourösen Events aufrechtzuerhalten, etwa die Verleihung des Preises für europäische Literatur an den französischen Skandalschriftsteller Bernard Entremont, an den sich viele Hoffnungen knüpfen: die von Mariann Krüger zum Beispiel, ehemals Hauptdarstellerin in einer Tierärztin-Serie und jetzt Grande Dame der Berliner Prominenten- und Kulturszene, die einen Empfang zu seinen Ehren vorbereitet, der den Glanz ihres Hauses und vor allem ihrer Person wieder herstellen soll. Oder die von Urban Fischer, den Schriftsteller mit der Schreibblockade, der sich von dem geplanten Interview mit Entremont Auftrieb für die eigene Arbeit erhofft.
Aber der Kulturbetrieb ist nicht das einzige prägende Element der Stadt und des Romans, der an einem einzigen Tag spielt. Da wäre auch noch die Politik, hier vertreten durch den manischen Prof. Bernburger, den von Corona umgetriebenen neuen Gesundheitsminister. Oder einfach ein Alltagsleben, geprägt von Schwangerschaften zur Unzeit und vom falschen Mann, jedenfalls nach Ansicht der Mutter der jungen Frau. Von Jugendlichen aus gutem Hause, die sich rücksichtslos zudröhnen. Von jungen hippen Müttern, die ihre Kleinkinder als Models bei Werbeagenturen andienen. Und von Ali Zayed, dem afghanischen Flüchtling, der auf der Suche nach seinem in Berlin etablierten Verwandten durch die Stadt streift.
Mehr als 30 Personen bevölkern diesen Episodenroman, jeder und jede mit eigener Perspektive. Und auch wenn manche, wie Prof. Bernburger und Entremont, leicht erkennbar sind und es für Kenner der Berliner Kulturszene garantiert ein großer Spaß sein dürfte, große Teile des übrigen Personals zu entschlüsseln, ist Krähen im Park kein Schlüsselroman. Peters nimmt uns mit in das Leben seiner Protagonisten, deren Wege sich an diesem einen Tag kreuzen, verbinden oder auch nur berühren. So entfaltet er das Panorama einer Stadt mit ihren kleinen und großen Katastrophen, eines Lebensgefühls in der Krise, und entwirft ein scharfsinniges Gegenbild zum Mythos Berlin mit seinen Hipstern und hoffnungsfrohen Start-ups, das fasziniert, deprimiert und nicht zuletzt hochgradig amüsiert.
Krähen im Park ist nach Der Sandkasten der 2. Band einer Trilogie, die sich an Wolfgang Koeppens hochgelobte, aber leider wenig gelesene Trilogie des Scheiterns aus den frühen fünfziger Jahren anlehnt, die auf so realistische wie bedrückende Weise den Alltag im Deutschland der ersten Nachkriegsjahre mit all seinen Verdrängungen und wirtschaftlichen Aufbruchshoffnungen thematisiert. 70 Jahre später sieht der Alltag anders aus, und die Hoffnung auf Aufbruch, ob wirtschaftlich oder nicht, verschwindet in einer Krise, die mit Corona nur noch wenig zu tun hat.
Irmgard Hölscher, Frankfurt a.M.