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Frau ohne Rang und Namen

Autor
Behan, Brendan

Frau ohne Rang und Namen

Untertitel
Aus dem Englischen und Irischen übersetzt und mit einem Nachwort von Hans-Christian Oeser
Beschreibung

In seinen neun kurzen Erzählungen behandelt der leider viel zu früh verstorbene irische Schriftsteller und Dramatiker Brendan Behan auf die ihm eigene prägnante Weise die Themen seiner Zeit: Familie, Armut, Kirche, Alkoholismus und Befreiungskampf. „Hier singt ein Herz“, so beschrieb einst die Stuttgarter Zeitung Behans Roman Borstal Boy – was im Übrigen für alle seine Texte zutrifft.
(ausführliche Beprechung unten)

Verlag
Wagenbach, Verlag, 2023
Seiten
144
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-8031-1376-4
Preis
22,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Brendan Behan, geboren, aufgewachsen und gestorben in Dublin (1923–1964), war einer der bedeutendsten irischen Autoren seiner Zeit. Neben autobiografischen Glossen und Prosatexten schrieb er vor allem Dramen, die bei Wagenbach teils in dem Band »Die Geisel und andere Stücke« (1977) erschienen. Als Symbol der Revolte wurde er dutzendfach verhaftet.

Zum Buch:

Als ich vor rund drei Jahrzehnten meine Ausbildung zum Buchhändler antrat, war eines der ersten Bücher, die zu lesen mir meine damaligen Kollegen dringend ans Herz legten, der Roman eines irischen Dramatikers, dessen Name mir bis dahin völlig unbekannt war: Brendan Behan. Der Roman, 1958 erstmals auf Deutsch erschienen, hieß Borstal Boy – und ich war begeistert, war vom Fleck weg angetan von dieser treffenden, überbordenden Sprachgewalt, die dem Text innewohnt. Da war dieser trockene, teils raue, stets temperamentvolle Ton, aber auch das deutliche Gespür fürs Groteske, Humorvolle, Makabre, das mir auf jeder Seite entgegenschlug und überhaupt Behans Einzigartigkeit ausmacht. Ich hatte einen Autor entdeckt, der gänzlich anders, der speziell und in seiner Art zu schreiben überaus besonders war. Weshalb ich im Anschluss daran alles von Behan las, was mir nur in die Finger geriet.

Daher mag meine Freude zu verstehen sein, als ich auf den kürzlich in der Salto-Reihe bei Wagenbach erschienenen Erzählungsband stieß, welcher neun frühe Erzählungen Behans sowie das Romanfragment zu The Catacombs beinhaltet, dessen erster Satz, typisch für Behan, so beginnt:
„Um Deirdres Rückkehr von ihrer Abtreibung in Bristol zu feiern, gab’s ne Party.“

Der Schriftsteller, Theaterautor, Journalist, IRA-Aktivist, Rebell, mehrmalige Häftling, begnadete Bänkelsänger und Alkoholiker hat sich in seinen Dramen wie auch in den von Liedern begleiteten autobiografischen Schriften zeitlebens mit der Geschichte Irlands befasst und darin immerzu Themen wie Armut, Arbeitermilieu, Alkohol, Unterdrückung und die Unüberbrückbarkeit von Klassenschranken angesprochen. So auch in der Sammlung Frau ohne Rang und Namen, in welcher er unteranderem seine Häftlingszeit beschreibt, sein Hadern mit der Kirche, die Auseinandersetzung mit seiner Rolle während des irischen Befreiungskampfes und nicht zuletzt seine Jugenderfahrungen:

„Als sie [die Großmutter] ihn [den Schafskopf] aus dem Topf genommen und auf den Teller gelegt hatte, setzten wir uns hin und starrten ihn ängstlich zitternd an. Er hatte schon schlimm ausgesehen, als er in den Topf geworfen wurde, doch beim Anblick der Brühe, die ihm aus den Augen quoll, beim Anblick seiner großen, wütend zusammengebissenen Zähne konnte einem geradezu das Herz stehen bleiben.“

Um Wahrheit bemüht war Behan nie. Das lag ihm wohl auch nicht. Für gänzlich bare Münze darf man deshalb auch in den vorliegenden autobiografischen Texten nicht alles nehmen. Zwar war er gewiss nicht immer ehrlich zu seiner Leserschaft, doch entsprach sein unbändiger Hang zur Übertreibung lediglich einem ausgeprägten Willen, dem erlebten Schrecken, dem Hunger und der tagtäglichen Gewalt etwas entgegenzusetzen. Hier gilt es, einen Autor (wieder) zu entdecken, dessen Liebe zu seinem Land sich in seinem Werk ebenso ausdrückt wie der Hang zur Melancholie, aber auch das Schalkhafte und die Lust zu singen und zu trinken. Im Februar 2023 wäre Brendan Behan 100 Jahre alt geworden.

Axel Vits, Köln