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Der versperrte Weg

Autor
Goldschmidt, Georges-Arthur

Der versperrte Weg

Untertitel
Roman des Bruders
Beschreibung

Auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2021

Wenn der jüngere Bruder das Gefühl hat, dem älteren zum Hemmnis geworden zu sein, verfolgt ihn das ein Leben lang. In diesem sehr persönlichen Roman erzählt der im Kindesalter aus Deutschland emigrierte und mehrfach ausgezeichnete Literat Georges-Arthur Goldschmidt die Lebensgeschichte seines vier Jahre älteren Bruders Erich, dem so vieles zum Hindernis wird, während der jüngere seinen Weg in die Literatur findet. Eine romanhafte Biographie aus allernächster Nähe, ein literarisches, bewegendes Zeitzeugnis, das in die Longlist des deutschen Buchpreises 2021 aufgenommen worden ist.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Wallstein Verlag, 2021
Seiten
111
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-8353-5061-8
Preis
20,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Georges-Arthur Goldschmidt, geb. 1928 in Reinbek bei Hamburg, emigrierte als Kind nach Italien und später nach Frankreich.

Auszeichnungen: Für sein umfangreiches Werk wurde er u. a. mit dem Nelly-Sachs-Preis, der Goethe-Medaille, dem Joseph- Breitbach-Preis und dem Prix del`Académie de Berlin ausgezeichnet. 2015 erhielt er den Sigmund-Freud-Kulturpreis.

Zum Buch:

Wenn der jüngere Bruder das Gefühl hat, dem älteren zum Hemmnis geworden zu sein, verfolgt ihn das ein Leben lang. In diesem sehr persönlichen Roman erzählt der im Kindesalter aus Deutschland emigrierte und mehrfach ausgezeichnete Literat Georges-Arthur Goldschmidt die Lebensgeschichte seines vier Jahre älteren Bruders Erich, dem so vieles zum Hindernis wird, während der jüngere seinen Weg in die Literatur findet. Eine romanhafte Biographie aus allernächster Nähe, ein literarisches, bewegendes Zeitzeugnis, das in die Longlist des deutschen Buchpreises 2021 aufgenommen worden ist.

Was geschieht mit einem jungen Menschen, der stolz darauf ist, Deutscher zu sein, dessen Lebenspläne schon in der Schublade des stets vorbildlich aufgeräumten Schreibtisches ruhen – er wollte Richter werden wie sein Vater oder Kapitän zu See – und der dann aufgrund seiner jüdischen Vorfahren vor den deutschen Nationalsozialisten fliehen muss? Die Entwurzelung, das Gefühl, nie der zu sein, der er zu sein vorgibt, zieht sich durch Erich Goldschmidts ganzes Leben.

Evangelisch getauft, schicken ihn seine Eltern zusammen mit dem vier Jahre jüngeren Bruder im Mai 1938 nach Settignano bei Florenz zu einer bereits emigrierten deutsch-jüdischen Familie. Als die Binswangers kein Jahr später nach Neuseeland auswandern, kommen die Brüder, von einer reichen Pariser Cousine finanziert, in einem Internat in Chambéry unter, aus dem sie 1944, für 300 Francs denunziert von der Köchin des Hauses, gerade noch fliehen können.

Erich schließt sich der Résistance an – ausgerechnet als Deutscher –, er fährt mit der französischen Division, der Soldaten aus aller Welt angehören, über die Porte d‘Orléans in Paris ein und trägt zur Befreiung der Stadt bei. Dennoch fühlt er sich mehr als fehl am Platz.

An dem Tag, an dem bei ihm zu Hause ein Umschlag des Ministeriums für Gesundheit und Bevölkerung mit dem Bescheid seiner Naturalisierung auf ihn wartet, hat er sich am Vormittag in der französischen Fremdenlegion eingeschrieben, weil er keinen Weg mehr sieht, sein begonnenes Jurastudium weiter zu finanzieren.

Ungemein nah bringt Georges-Arthur Goldschmidt seinen Leserinnen und Lesern dieses Gefühl, nicht der sein zu dürfen, der man gerne wäre; das permanente Unwohlsein, die Luftnot, die Scham, all das wird zwischen den Zeilen des in ganz nüchterner Sprache erzählten Lebens so deutlich spürbar, dass man mit dem Bruder echten Schmerz empfindet. Schmerz und gleichzeitig eine Spur von Erleichterung, denn: „Was wäre aus ihm geworden, wenn er ʻArierʼ gewesen wäre?“

Susanne Rikl, München