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Die Brandstifter

Autor
Kwon, R.O.

Die Brandstifter

Untertitel
Roman. Aus dem Englischen von Anke Caroline Burger
Beschreibung

Der hier empfohlene Debütroman der in Seoul geborenen US-Amerikanerin R.O. Kwon kommt auf den ersten Seiten wie ein klassischer Campus-Roman daher. Die beiden entwurzelt wirkenden jungen Studierenden Phoebe und Will finden zwar zueinander, bleiben aber doch auf der Suche und gleichzeitig auf der Flucht vor ihrer jeweiligen Vergangenheit. Will versucht an der prestigeträchtigen Elite-Uni in Noxhurst seine einfache Herkunft zu vertuschen, Phoebe will ihre abgebrochene Pianistinnen-Karriere und ihre Schuldgefühle am Tod ihrer Mutter vergessen. und gerät in den Bann einer christlichen Sekte, an deren Spitze der ebenso charismatische wie rätselhafte John Leal steht.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Liebeskind Verlag, 2019
Seiten
240
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-95438-107-4
Preis
20,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

R.O. Kwon wurde in Seoul geboren und wuchs in Los Angeles auf. Sie schreibt für verschiedene amerikanische Tageszeitungen und Magazine. Ihr Debütroman »Die Brandstifter« avancierte 2018 in den USA zu einem Bestseller und galt vielen Kritikern als eines der besten Bücher des Jahres. Er wurde u.a. für den National Book Critics Circle Award und den Los Angeles Times Book Prize nominiert. R.O. Kwon lebt in San Francisco.

Zum Buch:

Der hier empfohlene Debütroman der in Seoul geborenen US-Amerikanerin R.O. Kwon kommt auf den ersten Seiten wie ein klassischer Campus-Roman daher. Die beiden entwurzelt wirkenden jungen Studierenden Phoebe und Will finden zwar zueinander, bleiben aber doch auf der Suche und gleichzeitig auf der Flucht vor ihrer jeweiligen Vergangenheit. Will versucht an der prestigeträchtigen Elite-Uni in Noxhurst seine einfache Herkunft zu vertuschen, Phoebe will ihre abgebrochene Pianistinnen-Karriere und ihre Schuldgefühle am Tod ihrer Mutter vergessen.

Will vergöttert Phoebe, würde alles für sie tun und arbeitet neben seinem Studium Tag und Nacht in einem Restaurant, um ihr die Welt so zu Füßen legen zu können, wie er meint, dass Phoebe sie sich wünscht. Eine wirkliche Nähe kann aber trotz romantischer Picknicks und der gemeinsamen Wohnung nicht entstehen. Phoebe ist zu tief verstrickt in ihre vermeintliche Schuld. Sie erzählt niemandem, dass sie glaubt, ihre Mutter durch einen Autounfall umgebracht zu haben, bei dem sie selbst am Steuer saß. Phoebe bleibt instabil, geht manchmal zu ihren Vorlesungen, manchmal auch nicht und wird zunehmend vom barfüßig predigenden, charismatischen John Leal in den Bann gezogen. Die Geschichte, die er mit Anekdoten um sich rankt, erzählt davon, wie er in Nordkorea nur knapp dem Gulag entkam und wie er damals und heute im Gespräch mit Gott erfährt, was seine Aufgabe im Leben ist. Die Gruppe junger, gebildeter Erwachsener aus gutem Haus, die er um sich schart, nennt John Leal „Jejah“, was im Koreanischen Unterwerfung bedeutet. Dass Leal seine Jünger über Wochen hinweg mit strengen Regeln, emotionaler und psychischer Manipulation zu einer funktionierenden Armee formiert und dabei auch Schmerz und körperliche Züchtigung nicht scheut, sieht Will mit Schrecken.

Als ihm klar wird, dass Phoebe längst nicht mehr zugänglich für offensichtliche Argumente gegen die Jejah-Praktiken und Leals Geschichten ist, ändert er die Strategie und versucht, Teil der Jejah-Bewegung zu werden. Er begleitet Phoebe zu den Treffen, unterwirft sich zumindest an der Oberfläche den Regeln und Ritualen, dringt aber immer seltener zu seiner Freundin durch. Er kämpft mit seiner Eifersucht und der Erkenntnis, dass Phoebe John Leal längst Dinge anvertraut, die sie Will nicht sagt. Außerdem holt ihn immer wieder seine eigene Jugend ein, als er in der evangelikalen Gemeinde seiner Eltern selbst noch zu Jesus betete, an fremde Türen klopfte, um zu missionieren, bis er seinen Glauben verlor. Zurück geblieben ist ein tiefer Schmerz über diesen Verlust. Will glaubt aber, diese Erfahrung als Teil einer religiösen Gemeinde nutzen zu können, um Phoebe mit Verständnis und Verlässlichkeit nahe zu bleiben. Vergeblich. Angst und Ohnmacht sind nicht nur Wills ständige Begleiter, sondern auch die Grundlage für John Leals wachsenden Einfluss auf seine Umgebung. Wo es anfangs noch um friedliche Demonstrationen vor Abtreibungskliniken geht, schürt Leal den Wunsch seiner Jünger, Gottes Willen durch radikalere Taten in die Welt zu bringen. Als Will Jejah gegenüber Phoebe erstmals als Sekte bezeichnet, ist es längst zu spät.

Das Buch Die Brandstifter wurde bei seiner Veröffentlichung 2018 in den USA als Sensation gefeiert. Kwon zeigt mit ihrem Roman, dass sich die Gefahr des religiösen Fanatismus und die Radikalisierung junger Menschen nicht auf bildungsferne Schichten reduzieren lässt. Mittlerweile ringt auch das vermeintlich aufgeklärte, jedoch tief verunsicherte akademische Milieu um Orientierung. Vergleiche mit den Wählerstrukturen der heutigen AfD oder der Entstehung der Identitären Bewegung drängen sich auf. Radikalisierung bedarf als Nährboden keiner Religion, und eine gute Bildung bietet keinen Schutz vor Extremismus. Kwon schärft mit ihrem packenden Roman und der Nähe, die sie uns zu den Gedanken und Ängsten ihrer Protagonisten vermittelt, unseren Blick auf ein hoch aktuelles Thema.

Larissa Siebicke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt