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Eine deutsche Autobiographie

Autor
Cixous, Hélène; Wajsbrot, Cécile

Eine deutsche Autobiographie

Untertitel
Aus dem Französischen von Esther von der Osten
Beschreibung

In diesem sehr intimen und zugleich sprachkünstlerischen Briefwechsel spricht die französische Philosophin Hélène Cixous mit der Autorin Céline Wajsbrot über ihre ‚Deutschlande‘. Aufgewachsen in der algerischen Küstenstadt Oran, war Cixous als Kind durch ihre Mutter und Großmutter dort beständig von deutscher Sprache umgeben. maman/allemand bleibt für Cixous unauflösbar miteinander verbunden. Dieser Briefwechsel spricht nicht von Nationalität – und von Heimat nur in einem sehr fremden Sinn. Gemeinsam erkunden die beiden Autorinnen das Deutsche als Klang, als Raum, als Erinnerung und also Biographie.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Passagen Verlag, 2019
Seiten
112
Format
Kartoniert
ISBN/EAN
978-3-7092-0351-4
Preis
14,40 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Hélène Cixous, geboren 1937 in Algerien, lebt als Schriftstellerin und Professorin in Paris.

Cécile Wajsbrot, 1954 in Paris geboren, ist Schriftstellerin und Übersetzerin.

Zum Buch:

Eine deutsche Autobiographie. In mehrfacher Hinsicht entspricht dieser Band nicht den Erwartungen, die sein Titel zunächst aufruft. Wer die Schriften der französischen Philosophin Hélène Cixous kennt, weiß, dass ihr Verständnis von Sprache immer eine Neuerkundung und ein Suchen nach dem impliziert, was sich hinter Worten verbirgt. Sie hat nie in Deutschland gelebt. Alle ihre Verwandten, die in Deutschland gelebt haben, haben die Shoah nicht überlebt oder sind nach ihrer Flucht nicht nach Deutschland zurückgekehrt. Cixous wächst dennoch umgeben von der deutschen Sprache mit dem Dialekt und den Idiomen ihrer Mutter und Großmutter in Algerien auf. Deutsch lernt sie ausschließlich als gesprochene Sprache kennen, weswegen sie vielleicht dem, was sie als ihre deutsche Autobiographie begreift, gerade im Gespräch, im Briefwechsel nachspürt.

Ihre Briefpartnerin, die in Berlin lebende französische Autorin Cécile Wajsbrot, zeichnet sich hingegen gerade durch ihre Zurückhaltung als dankbare Gesprächspartnerin aus. Oft spürt man in ihren Antworten, wie sich eine Flut an Gedanken und Fragen anbahnt, ausgelöst von Cixous Briefen. Und jedes Mal dämmt Wajsbrot sie ein, um den Antworten ihre Zeit und ihren Raum zu lassen. Zudem ist Wajsbrot eine versierte Kennerin von Cixous’ Texten. Und so gleicht dieses Buch fast einer Selbstbefragung. Die zentrale Frage gilt dem eigenen Ich, der deutschen Biographie, von der nicht gesichert ist, ob sie existiert, worin sie besteht, von der aber zugleich festzustehen scheint, dass sie untrennbar mit dem Ich verbunden ist.

Die entscheidendste Verbindung zu diesem ‚Deutschen‘ stellt Cixous’ Verhältnis zu ihrer Mutter dar. Sie schildert, dass die Gespräche mit ihr sich häufig um deutsche Ausdrücke drehten. Als ihre Mutter während des Briefwechsels stirbt, werden die Briefe zu einer Art Sicherung des Vokabulars, der deutschen Sprache überhaupt, die mit dem Tod der Mutter wegzubrechen droht.

Diese deutsche Autobiographie spricht nicht von einer Nation, sondern von einem Raum, der halb Erinnerung, halb Vorstellung ist; mal befindet er sich im Exil, mal bewegt man sich auf ihn zu. Dabei verläuft diese Suche nicht entlang philosophischer Begriffsfindung, sondern folgt den Verbindungen assoziativ: Worte als phonetischer und metaphorischer Gehalt. Ein Umstand, der eine Herausforderung für die Arbeit der Übersetzerin Esther von der Osten darstellt und ihr ermöglicht, ihr Können unter Beweis zu stellen. Es gelingt ihr, den spielerischen und doch ernsthaften Umgang Cixous’ mit der Sprache aufzugreifen und der deutschen Fassung des Textes so jene Eigenschaft zu verleihen, die Cixous’ Buch unabhängig von philosophischer Vorbildung so lesenswert und interessant macht: der spürbare Willen, den Worten und der Sprache auf den Grund zu gehen; nicht als etwas Theoretischem, Entfernten, sondern als etwas, das einen zutiefst persönlich bestimmt.

Theresa Mayer, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt